Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Jayden – Akt 3, Szene 3 ----------------------- 8 Jahre vor Team Shadows Gründung   Jaydens Ausbildung bei Koko begann gleich am nächsten Morgen. Die herrische Geistertrainerin stand in der Tür, als er beim ersten Sonnenlicht die Straße entlanggelaufen kam und sah ihn mitleidlos an. „Auf, auf, frisch ans Werk, es ist ein neuer Tag“, sagte sie und scheuchte ihn ins Haus, wo bereits eine dampfende Tasse Tee und eine Schale Reis mit Gemüse auf ihn warteten. Jayden, dessen Magen knurrte, machte sich sofort über das Frühstück her, während Koko eine Schiebetür öffnete und in einem angrenzenden Raum verschwand. Nach wenigen Minuten kehrte sie zurück. Die Luft um sie herum schimmerte wie über einem Lagerfeuer und verriet die Anwesenheit einiger Geister. Jayden schlang schnell das letzte bisschen Reis hinunter und setzte sich im Schneidersitz hin. „Das hier werden deine Schützlinge sein“, sagte sie und deutete der Reihe nach auf die weiterhin unsichtbaren Pokémon. „Nora hier wurde von ihrer Trainerin abgegeben, weil sie keine Kämpferin ist und sich lieber verwöhnen lässt. Komplimente wirken Wunder. Hier haben wir Nebel. Er ist schon ziemlich alt. Sein Partner verstarb vor einigen Wochen und er ist in tiefer Trauer. Wir achten auf ihn, bis wir einen neuen Trainer für ihn finden. Und der letzte im Bunde ist Nebulak. Seine Trainerin nannte ihn Shadow, aber seit sie ihn abgegeben hat, hört er nicht mehr auf den Namen.“ Jayden starrte die drei Pokémon an, die er doch nicht sehen konnte. Drei Nebulak. Jedes mit seiner eigenen Geschichte und Persönlichkeit. „Ich werde mein Bestes geben!“, versprach er inbrünstig. „Gut“, erwiderte Koko. „Diese Pokémon haben viel durchgemacht und verdienen einen liebevollen Trainer, der sich um sie kümmert, bis sie ein neues Heim haben. Die Pokébälle bleiben die erste Woche noch hier, bis wir sicher sind, dass du mit den Dreien klarkommst, danach werde ich sie in deine Obhut geben.“ Jayden nickte und stand auf. „Hallo liebe Nebulak“, sagte er feierlich. „Mein Name ist Jayden. Es freut mich sehr, eure Bekanntschaft zu machen.“ Nichts geschah. Er schielte zu Koko, die gutmütig die Augen verdrehte. „Du bist hier nicht bei einem Vorstellungsgespräch“, tadelte sie. „Etwas natürlicher, wenn‘s genehm ist.“ Peinlich berührt wandte Jayden sich dem zweiten Schimmern zu, das Koko als Nebel vorgestellt hatte. „Es tut mir sehr leid, was mit deinem Trainer passiert ist“, sagte er. „Es muss schwer sein, seinen Partner zu verlieren. Mein Starter ist auch für die nächste Zeit von mir getrennt. Nicht, dass das derselbe Schmerz wäre! Aber … ich verstehe, wie du dich fühlen musst, zumindest ein bisschen.“ Ein leises Seufzen ertönte. Nebels Gestalt flackerte einmal kurz auf und nickte ihm andächtig zu, dann wurde es wieder unsichtbar. Koko lächelte ihm aufmunternd zu. „Und du musst die schöne Nora sein“, sagte Jayden und wandte sich dem ersten Nebulak zu. „Ich wünschte wirklich, du würdest dich mir zeigen.“ Nora flackerte schüchtern, blieb aber sehr transparent, sodass Jayden sie kaum erkannte. Sie schwirrte allerdings näher an ihn heran und plötzlich spürte Jayden ein eiskaltes, klebriges Etwas an seiner Wange. Er erzitterte vor Ekel, schaffte es aber gerade noch, seinen Aufschrei zu unterdrücken. „Vi-vielen Dank“, brachte er hervor. „So eine z-zarte Zunge hat mich noch nie abgeschleckt.“ Nora flackerte erneut auf, diesmal deutlicher, und zu Jaydens großer Überraschung konnte er in ihrem Gesicht tatsächlich so etwas wie Stolz erkennen. Koko hielt sich unterdessen vor unterdrücktem Lachen den Bauch. Jayden streckte ihr die Zunge heraus. Er wollte sich gerade zu dem letzten Nebulak wenden, da bemerkte er, dass das Schimmern in der Luft verschwunden war. Verwirrt sah er sich um, konnte das Pokémon aber nirgends entdecken. „Und das ist die erste Schwierigkeit mit Geisterpokémon“, stellte Koko fest, die sich allmählich von ihrem Lachanfall erholt hatte. „Manchmal verliert man sie einfach aus den Augen.“ „Nebulak?“, rief Jayden. Keine Antwort. Natürlich nicht. „Nebulak!“ „Das ist schon in Ordnung“, sagte Koko. „Er wird wieder auftauchen. Für’s erste hast du dich gut geschlagen. Komm heute Abend wieder vorbei, dann zeige ich dir ein paar Tricks, wie man Geister dazu bringt, sich zu zeigen. Aber jetzt husch, husch zum Turm. Jens wartet nicht gerne.“     Obwohl Jayden sich sputete, verspätete er sich fast. Jens teilte bereits Gruppen ein, als er keuchend aufschlug und sich auf seinen Knien abstützte. Jens warf ihm nur einen kurzen Blick zu, dann fuhr er mit der Aufgabenverteilung hoch. „Cory und Igor, ihr arbeitet an der eingestürzten Häuserecke im Westviertel weiter. Ich brauche außerdem noch einen Ersatz für Lucy, sie hat eine Erkältung. Jayden, wie sieht es bei dir aus? Bist du schwindelfrei?“ Jayden dachte an seine Tage im Vertania City Wald zurück, als Chris und er in den Baumwipfeln gehaust hatten, um sich vor Trainern zu verstecken. Bei dem Gedanken an ihre Flucht schüttelte er sich innerlich. „Ich habe kein Problem mit Höhen.“ „Gut, dann kannst du mit Irene die kaputten Dächer hier reparieren.“ Jayden sah sich suchend nach seiner Partnerin um und entdeckte im Kreis der Teak City Helfer ein junges Mädchen mit langem, schwarzem Haar und tiefbraunen Augen, das ihm schelmisch zuwinkte. Moment mal … Jens beendete seine Ansprache mit einem motivierten „Packen wir es an!“, in das alle mit lautem Jubel einstimmten, dann verliefen sich die Gruppen. Jayden blieb mit dem Mädchen namens Irene und einem weiteren Arbeiterpärchen zurück, da ihre Häuser gleich beim Glockenturm standen. Sie kam auf ihn zu und streckte ihm freudig die Hand entgegen. „Irene“, stellte sie sich erneut vor. „Ich mag Höhen nicht, also musst du klettern.“ „Ich bin Jayden“, stellte er sich mit einem Handschlag vor. „Sag mal, bist du zufällig gestern, ich meine, wohnst du auch—“ „Im Tanztheater?“ Irene schenkte ihm ein breites Grinsen und fuhr sich durchs Haar. „Nein, da lebe ich nicht. Aber du hast mich gestern dort gesehen. Ich bin eine der Kimonotänzerinnen für Frau Fiona.“ „Was ist eine Kimonotänzerin?“, fragte Jayden. War das so ein Johto-Ding? „Komm, ich erklär dir alles bei der Arbeit“, schlug Irene vor, und so bewaffneten sie sich mit Schubkarre, Leiter und anderem Werkzeug und stapften zu ihrem ersten Haus. Der Aufstieg zum Dach war Jayden alles andere als geheuer, aber nachdem er die ersten Sprossen hinter sich hatte, vertraute er der Stabilität so weit, dass er sich etwas entspannte. „Also, was ist dieses Kimono jetzt?“, hakte er nach, während er kaputte und lose Ziegel vom Dach entfernte und in die Schubkarre fallen ließ. Irene begann derweil, um das Haus den Boden freizuschaufeln. „Ein Kimono ist ein traditionelles Gewand, das wir für unsere Aufführungen tragen“, erklärte sie. „Wir tanzen jeden Samstag und Sonntag mit unseren Pokémon. Ich bin erst seit einem halben Jahr dabei, deshalb beharrt Frau Fiona so sehr auf unserem Training.“ Sie kratzte sich verlegen am Kopf. „Ich will natürlich besser werden, aber manchmal gibt es einfach wichtigeres zu tun. Die Stadt nach einem Sturm aufräumen zum Beispiel.“ „Oder die neuen Trainer beobachten“, scherzte Jayden. Irene lachte. „Ich habe halt meine Prioritäten!“ „Und wer war der kleine Junge?“ „Oh, das ist Nick, mein kleiner Bruder.“ Sie verzog gutmütig das Gesicht. „Ich muss ihn immer zum Training mitnehmen, weil meine Eltern arbeiten, aber er kommt uns nur zwischen die Füße.“ Das letzte sagte sie mit einem Seufzen, aber schaltete danach sofort auf Lächeln um. „Und was machen du und deine Freundin in der Stadt? Seid ihr auf Reisen?“ „So ungefähr“, gestand Jayden und begann ihr grob ihre Geschichte seit Alabastia zu erzählen, was nicht einfach war, denn er ließ alle Details zum Thema Pokemondiebstahl und Verfolgungsjagd außen vor. Auch wenn er jetzt für seinen Fehler geradestand und alles tat, um ihn wieder gutzumachen, schämte er sich immer noch für sein kindisches Verhalten. Und wer wusste, wie Irene reagieren würde? Die Geschichte ergab zum Glück auch in abgespeckter Version Sinn. Zumindest teilweise. „Aber warum seit ihr nach Johto gereist?“, fragte Irene mit gerunzelter Stirn. Sie machte eine kleine Verschnaufpause und stützte sich auf dem Griff ihrer Schippe ab. „Ist das nicht teuer? Und ihr habt ja kaum Kanto gesehen, eure Heimat? Sollte das nicht zuerst passieren? Und warum hast du keinen Pokéball dabei, wo du doch ein Glutexo hast? Wie ist das überhaupt mit Chloe ausgegangen? Ich verstehe ja, dass sie eine harte Zeit durchgemacht hat, aber sie muss trotzdem für ihre Verbrechen büßen!“ „Du stellst ja eine Menge Fragen auf einmal!“ Jayden „Was mit Chloe passiert ist, weiß ich nicht, wir wollten danach einfach schnell aus der Stadt verschwinden. Und was Johto angeht …“ Er rang nach Ausreden. „Ein, eh, Bekannter hat uns Teak City als Ziel empfohlen und sogar unsere Tickets bezahlt, deswegen haben wir die Möglichkeit am Schopf gepackt.“ Irene öffnete bereits den Mund zur nächsten Frage, aber Jayden unterbrach sie schnell, bevor sie sein Lügengeflecht noch weiter unter die Lupe nahm. „Hör mal, Chris und ich haben ein bisschen von eurem Training mitgekriegt, durch das Loch in der Decke über der Bühne. Es sah toll aus! Könntest du uns das mal zeigen? Wie so ein Kimono aussieht und wie man damit tanzt?“ „Oh!“ Irene begann zu strahlen. „Natürlich, gerne! Wir trainieren jeden Abend, ich kann euch gerne mitnehmen. Die anderen stören sich bestimmt nicht daran, und Fiona kriegen wir schnell überzeugt.“ Jayden warf einen weiteren Ziegel hinunter. „Das wäre mega. Ich bin hier oben übrigens fertig. Brauchst du noch Hilfe?“ Irene schüttelte den Kopf. „Hier unten ist alles erledigt.“ „Dann auf zum nächsten Haus!“     Jayden konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so erschöpft gewesen war. Wie Irene nach einem ganzen Tag Knochenarbeit noch die Kraft hatte, ihre Proben wahrzunehmen, war ihm schleierhaft, aber sie war bereits vorangegangen, um ihre Tanzschwestern und Fiona über ihre Gäste vorzuwarnen. Das ließ ihm Zeit, sich seine nächste Lektion bei Koko abzuholen. Er verbrachte ungefähr eine Stunde bei ihr, hörte sich Tipps und Tricks für den Umgang mit Geisterpokémon an und versuchte, das Vertrauen der drei Nebulak zu gewinnen. Nora war die erste, die sich ihm vollständig zeigte. Einige Komplimente über ihre Schönheit und Eleganz waren alles, was es brauchte, auch wenn sie die grausige Angewohnheit hatte, ihn zum Dank abzuschlecken. Nebel war etwas schwieriger einzuschätzen. Er schien nicht von Jayden abgeneigt, zeigte aber auch wenig Interesse, sich ihm anzunähern. Jayden vermutete, dass es noch einige Zeit dauern würde, bevor die Trauer um seinen Trainer abflaute. Das namenlose Nebulak war allerdings der härteste Brocken. Wenn Jayden gedacht hatte, Glutexo wäre in seiner Anfangszeit nicht umgänglich gewesen, so erlebte er jetzt ein böses Erwachen. Nebulak ignorierte ihn so geflissentlich, als würde er gar nicht existieren. Koko schien es nur ansatzweise zu gehorchen, weil sie seinen Pokéball hatte und so viel Erfahrung mitbrachte, aber selbst sie hatte Probleme, zu dem Geist durchzudringen. Und so kehrte Jayden trotz des Erfolges mit Nora frustriert und verunsichert zum Theater zurück. Er wollte Nebulak irgendwie helfen, aber wie? Sein Vertrauen in Trainer war eindeutig gebrochen. Das wieder gut zu machen, würde mehr als nur Zeit brauchen. Bevor er sich zu sehr in die Situation hineinsteigern konnte, entdeckte er Chris, die vor dem Theater saß und mit Pikachu spielte. Sein Herz sank ihm bei dem Anblick in die Hose. Zum einen, weil er wusste, wie schwer es Chris fiel, Pikachu im Haus nicht rufen zu dürfen, zum anderen, weil es ihn an Glutexo erinnerte, und wie er vor nur zwei Wochen genauso mit seinem Partner getobt hatte. Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter und winkte Chris zu, bis sie auf ihn aufmerksam wurde. „Hallo“, begrüßte sie ihn. „Ich habe heute mit einem Mönch gesprochen. Er hat mir Schriften über Ho-Oh gegeben. Was hast du heute gemacht?“ Jayden ließ sich neben ihr auf die Straße sinken und strich Pikachu über das gelbe Fell. Es versetzte ihm einen liebevollen Schlag. „Mit Geisterpokémon gesprochen und Dächer repariert“, sagte er. „Oh, und ich habe das Mädchen von gestern getroffen, die in dem Kleid! Ihr Name ist Irene. Wir sind zu ihrem Training eingeladen. Komm.“ Er sprang auf und reichte ihr seine Hand. Chris zog sich an ihm hoch und rief Pikachu nach einigem Zögern zurück. Ihr brauner Pony war so kurz gestutzt wie zuletzt am Anfang ihrer Reise, was Jayden freute. Sie hatte häufig genug nicht die Gelegenheit gehabt, ihn ordentlich zu schneiden. Gemeinsam betraten sie das Tanztheater und liefen durch die Gänge zu der Tür, durch die Irene und Nick gestern gelugt hatten. Nach einigem Suchen fanden sie endlich den Seiteneingang. Es lief keine Musik, aber Fionas Klatschen gab wie gestern Abend den Takt an. Sie schlichen außen herum, setzten sich in die dritte Reihe. Der Saal war nicht riesig, aber groß genug für eine Bühne und etwa hundert Sitzplätze. Vor ihnen tanzten fünf Mädchen und junge Frauen, Irene in ihrer Mitte. Sie alle trugen die rot-blauen Gewänder, die mit breiten Stoffstreifen um die Taille festgebunden waren, und ihr Haar war hochgesteckt. Sie drehten sich sanft im Kreis, wiegten die Arme und neigten die Köpfe. Um ihre Beine schlichen verschiedene Pokémon. „Evoli-Entwicklungen“, stellte Chris sofort fest. Sie deutete nacheinander auf die Pokémon. „Flamara, Aquana, Blitza …“ Sie stockte. Jayden sah die anderen beiden Entwicklungen an, das eine schwarz mit langen Ohren und goldenen Ringen im Fell, das andere blassviolett mit einem gespaltenen Schweif. „Sind das Johto-Entwicklungen?“, mutmaßte er. Chris nickte. Jayden wandte sich wieder den Tänzerinnen zu. Je länger er dem Tanz zusah, desto mehr zogen die fremden, fließenden Bewegungen ihn in seinen Bann. Er hatte noch nie so etwas Majestätisches gesehen. Seine Augen fanden Irene, die ihm bei ihrer nächsten Drehung zuzwinkerte. Dann stolperte sie über die Flosse ihres Aquanas, das aufquietschte und ihr einen kleinen Wasserstrahl ins Gesicht spuckte. „Uuuund von vorn“, befahl Fiona. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)