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Diagnose: Schreibblockade

Dreimonatige Challenge
von

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2.5.2024: Safe Space

Kein Wort sprachen sie miteinander als sie die Wohnung betraten; nur sein Ächzen und Stöhnen durchdrang die Stille. Es klang fast, als wäre er gerade dabei, den Mount Everest zu erklimmen.

„Gott, ich dachte schon, der findet heute gar kein Ende mehr“, murmelte Sven und schleppte sich ins Wohnzimmer, um dann mit einem tiefen Seufzen der Länge nach auf die Couch zu fallen. Jasmin tat sich deutlich weniger schwer. Auch sie war froh über das Ende des heutigen Tages, aber vor allem freute sie sich, jetzt wieder in der Wohnung zu sein. Sie sammelte Svens Rucksack auf, den er lieblos in den Flur geworfen hatte und stellte ihn neben seine Zimmertür, genauso wie sie ihren neben ihrer Tür platzierte.

„Jetzt ist erst mal Wochenende“, meinte sie zufrieden und nahm auf dem Sessel Platz, der gegenüber der Couch stand. Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und lächelte.

„Dass du immer noch so fröhlich sein kannst“, murmelte Sven und schob die Hände unter sein Kinn.

„Wollte Oberfelder sich Extrapunkte erschleichen, indem er den Dozenten so viel gefragt hat oder was sollte das?“, murrte er und schürzte die Lippen. Jasmin zuckte leicht die Schultern.

„Wer weiß“, nuschelte sie und noch immer fragte Sven sich, warum sie so gut gelaunt war.

„Hast du n Date oder so?“

Sie öffnete die Augen und schaute ihn irritiert an.

„Nein, wie kommst du darauf?“, fragte sie und dieses Mal zuckte Sven die Schultern.

„Wegen deiner guten Laune“

„Ich freu mich einfach nur, wieder hier zu sein“, meinte Jasmin und noch immer verstand Sven sie nicht.

„Na ja, unsere WG ist inzwischen so was wie ein Safe Space für mich geworden“, lachte sie verlegen und doch voller Offenheit.

„Es ist einfach schön, hier ganz ich selbst sein zu können. Hier muss ich nicht drüber nachdenken, was ich sagen oder tun darf. Oder wie ich aussehe…“, faltete sie die Hände und drückte die Daumen leicht aneinander.

„Du machst dir immer noch oft Gedanken darüber, was andere von dir halten, hm?“, meinte Sven und sie nickte.

„Ja, ich glaub, Tinder ist da auch nicht ganz unschuldig dran. Seit ich die App nutze, hoff ich einerseits, darüber endlich jemanden zu finden und andererseits hab ich Angst, dass andere aus der Uni mein Profil sehen und sich über mich lustig machen. Und auch die Dates sind oft verunsichernd für mich... ich weiß nicht recht, was ich anziehen soll, worüber ich reden soll.. aktuell fühl ich mich oft, als wäre ich ständig auf dem Prüfstand“.

„Deswegen bist du momentan so nervös, wenn in deiner Nähe jemand lacht oder als neulich eine andere Studentin mit deinem Namen gerufen wurde“, legte er den Kopf schief und schaute zu Jasmin, die ihren Blick an die Decke richtete.

„Ja… aber irgendwie muss ich doch endlich jemanden kennen lernen“, seufzte sie und begann an dem Bündchen ihres Pullovers zu nesteln.

„Mach dir da nicht zu viel Druck“, meinte Sven, aber Jasmin schien davon nicht so richtig überzeugt.

„Ich beneide dich, dass du dir über das Thema scheinbar keine Gedanken machst, aber ich wünsch mir inzwischen echt sehr einen Freund. Eigentlich dachte ich vor dem Studium auch, dass ich bestimmt über die Uni jemanden kennen lerne, aber bisher…“, sie zuckte die Schultern und stand auf, um ihnen etwas zu trinken zu holen. Sven setzte sich in der Zwischenzeit auf und machte es sich im Schneidersitz gemütlich. Er überlegte, was er Jasmin sagen sollte.

„Hast du nicht letztens erwähnt, dass du schon mal einen Freund hattest? Wie hast du den denn kennengelernt?“, fragte er und nahm sein Glas entgegen. Jasmin presste die Lippen aufeinander. Sie ließ sich zurück auf den Sessel sinken und atmete tief durch.

„Vielleicht war es etwas übertrieben, ihn so zu nennen... aber ich war damals echt sehr verschossen in ihn“, murmelte sie und schaute auf ihr Glas.

„Wir haben uns damals online in einem Forum kennen gelernt. Ich war vierzehn und er achtzehn. Wir standen auf dieselben Bands und ich fand es unheimlich cool, wie viele er davon schon gesehen hatte. Ich selbst durfte nur selten zu Konzerten… Einige Monate lang haben wir geschrieben und heimlich telefoniert – meine Eltern hätten mir das sonst bestimmt verboten. Dadurch, dass wir sehr weit auseinander wohnten, haben wir uns in der ganzen Zeit nur zweimal gesehen, wenn er für Konzerte in meine Nähe kam. Aber ich war trotzdem total verknallt“, erzählte sie und bekam rote Wangen. Sven musste bei ihrem Anblick unwillkürlich lächeln, aber das verschwand, als er sie fragte, wie es dann endete und Jasmins Antwort hörte.

„Nach unserem zweiten Treffen schrieb er mir plötzlich, dass er sich in eine andere verliebt habe und deshalb keinen Kontakt mehr mit mir wollte“, murmelte sie und zuckte die Schultern.

„Ehrlich gesagt glaub ich inzwischen aber, dass er mich einfach nur ins Bett bekommen wollte und danach kein Interesse mehr hatte“, rieb sie sich den Nacken und hob die Füße auf den Sessel.

„Einige Zeit später haben andere Mädels in dem Forum davon nämlich auch berichtete. Bei ihnen war es wohl genauso gelaufen. Ich hab mich dann irgendwann da abgemeldet und weiß nicht, wie die ganze Sache ausgegangen ist…“, seufzte sie aus und schüttelte den Kopf.

„Ganz schön naiv, was? Ich bin bloß froh, dass meine Eltern das nicht wussten. Ich bin zwar eh nicht viel ausgegangen, aber wenn sie geahnt hätten, dass ich mich heimlich mit nem Jungen getroffen hab, hätten sie mir wohl ewig Hausarrest gegeben und mich ins Internat gesteckt“, lachte Jasmin leise, ohne dabei verhehlen zu können, dass es kein fröhliches Lachen war. Sven schaute sie nachdenklich an.

„Ich find das nicht naiv, sondern illegal. Du warst noch sehr jung und der Kerl hat die schamlos ausgenutzt“, meinte er und runzelte die Stirn. Wie viel Überwindung musste es sie damals gekostet haben, nach so einer Erfahrung mit einem Mann in eine WG zu ziehen? Und auch, ihm jetzt diese Geschichte anzuvertrauen? Jasmin aber machte nur eine wegwerfende Handbewegung und stand auf, um ihnen Abendessen zuzubereiten.

"Zum Glück ist das schon lange her. Meinen nächsten Freund such ich mir besser aus!", zwinkerte sie und zog Sven von der Couch, damit er ihr mit dem Essen half.

"Zwiebeln schneiden darfst du!"

"Och nööö".



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