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Schatten der Vergangenheit

von

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Aus dem Leben verschwunden

Lucy hatte es nie leicht in ihrem Leben. Sie wurde gemobbt, belogen und betrogen. Ein schweres Laster, mit dem sie Jahre bis zu ihrem Tod zu kämpfen hatte.
 

Die letzte Geschichte zu und über Lucy ist einige Zeit her und jetzt kommt tatsächlich schon die letzte. Warum, sollte sich selbst erklären. Der Klappentext spricht eine deutliche Sprache. Lucy stirbt aber nicht sofort, blickt zuvor auf ihr Leben zurück, auf Geschichten, die ihr bereits kennt und einige gelesen haben.
 

Leicht hatte sie es nie in ihrem Leben, vieles hat sie gezeichnet, geprägt und vieles hat sie niemals erzählt. Jetzt bricht sie ihr Schweigen ein letztes Mal, zeigt die Schattenseiten eines beschissenen Lebens, was sie so niemals haben wollte und mit einem lauten Knall beendet.
 

Lucy ist somit abgeschlossen, kann in Frieden ruhen und alte Geschichten hinter sich lassen. Ein Wiedersehen wird es mit ihr nicht geben. Lucy ist gestorben, führt heute ein anderes Leben und heißt auch gar nicht wirklich Lucy.
 

Lucy war nur ein Deckname, damit ich mein eigenes Leben überhaupt schreiben konnte und nicht jedes Mal ein komisches Gefühl bekam, wenn ich Dinge aufzeigte, die hart an der Grenze waren. Richtig, Lucys Geschichten sind meine realen Geschichten. Meine Vergangenheit, die ich vor langer Zeit hinter mir gelassen habe und als Frau gestorben bin.
 

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Rückblickend auf ihr kurzes Leben, konnte Lucy sagen, sie hatte eine Menge Scheiße erlebt. Schon in der Kindheit fing es an, zog sich durch die Pubertät, durch ihre zwanziger bis hin zum heutigen Tag. Mobbing, Betrug und einige Todesfälle, die sie geprägt hatten. Besonders der Tod ihres kleinen Bruders, der viel zu klein und unschuldig zum Sterben war. Lucy erinnerte sich ungern daran, verfluchte seither Freitag den Dreizehnten und blendete diesen Tag aus. Nur ein Jahr später wäre sie fast gestorben, wäre ihm gefolgt, hätte auf ihn aufgepasst. Doch wieder einmal hatte ihr beschissenes Leben andere Pläne, ließ sie weiterhin durch die Hölle gehen und jeden Tag Scheiße fressen.
 

Wo genau sie da anfangen sollte, stellte sich als schwierig heraus und Mobbing war bei Weitem nicht das Übelste, was sie erleben musste. Lug und Betrug, dann der Missbrauch, eine Ehe, die sie am Ende fertig gemacht hatte und umdenken ließ. Ein Körper, der sich falsch anfühlte, eine Seele, die laut aufschrie und selten gehört wurde. Ein Kampf, den sie alleine bestritt, niemanden an ihrer Seite hatte und oftmals müde belächelt wurde.
 

Lucy hatte genug davon, wollte dieses Leben nicht mehr und auch, wenn sie mit den Jahren Mutter geworden war, fühlte sie dies nicht. Sie liebte ihr Kind zwar, doch Mutterliebe war für sie nur ein Wort und kein Gefühl, was sie seit der Geburt täglich spürte. Im Gegenteil. Jedes Mal, wenn sie das Wort Mutter hörte, überkam sie der Ekel, ein Gefühl von Beklemmung. Wie damals, als sie bemerkte, dass sie zu einer Frau wurde.
 

Wie oft hatte sich Lucy dagegen gewehrt, kaum noch etwas gegessen, um ja keine Kurven zu erhalten? Sie hatte aufgehört, zu zählen. Ebenso, wie oft sie daran dachte, sich selbst zu verstümmeln. Letztendlich hatte sie sich in die Magersucht getrieben, in Depressionen, Borderline und drei Selbstmordversuche. Einige Klinikaufenthalte hatte sie hinter sich und erst der letzte brachte die Lösung ihres Problems. Sie war nie eine Frau, nur auf dem Papier. Unzählige Gespräche und Therapien hatte dies bestätigt, aber auch einiges aus Kindertagen.
 

Mädchen waren für Lucy nie interessant, ebenso Make-up, Barbies oder Kleidchen. Fußball sagte ihr mehr zu, ebenso Skaten, Holzhütten bauen, sich kabbeln und prügeln, wenn es darauf ankam. Sie erinnerte sich sogar daran, wie erleichtert sie war, als sie endlich ihre langen Haare geschnitten bekam und das nur, weil ihre Mutter die Nase voll von Knoten hatte. Eine Erleichterung und doch traf sie auf Unverständnis, auf Blicke, die mehr als tausend Worte sagte und ihr das Gefühl gab, ungeliebt zu sein. Lucy musste es jedoch mitteilen, sich öffnen und sagen, dass sie das Leben einer Frau niemals führen wollte und weiterführen würde.
 

„Du hast aber doch ein Kind bekommen, du kannst kein Mann sein." Worte, die von ihrer Großmutter kamen.
 

„Ich habe drei Töchter und meinen einzigen Sohn, den ich hatte, der ist tot!" Ein Schlag ins Gesicht, als ihr Vater ihr damit kam.
 

Ihre Schwestern enthielten sich, ebenso ihre Mutter, die jedoch bitterlich weinte. Ihr Kind hingegen war zu jung, zu unerfahren, um zu begreifen, was mit ihr los war. Ihr Mann hingegen ekelte sich, stieß ihr an den Kopf und schrie sie an, er wäre nicht schwul. Lucy hatte noch nie so viel Ablehnung auf einmal erlebt, wie an diesem Tag, als sie die Bombe platzen ließ, äußerte, sie hätte eine Geschlechtsidentitätskrise, die man heute als nichtbinär kennt. Mit dem Unterschied, dass man heute viel offener dafür ist, den Menschen die Möglichkeit gibt, so leben zu können und selbst zu entscheiden, wie man angesprochen werden will.
 

Lucy entschied sich gegen ihr Leben, brachte die Frau in ihrem Inneren um, verbannte alles, was damit zu tun hatte. Am Ende sogar ihr eigenes Kind, weil sie nie die Mutter für ihn war, die er gebraucht hätte. Zu sterben tat ihr nicht einmal weh. Es war innerlich, nicht endgültig, aber befreiend, alles Alte hinter sich zu lassen, wie neugeboren als Joel nochmals von vorn und alleine in einer anderen Stadt anzufangen.



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